Neudenken der digitalen Meetingkultur

Otrek Wilke
6 min readNov 29, 2020
Ein typisches online Meeting — Foto von @cwmonty

In der Welt der Büroarbeit haben die digitalen Meetings die physischen Vorort Meetings weitestgehend abgelöst. Immer wieder ist zu hören, das digitale Meetings nicht das selbe sind wie physische und trotzdem handeln wir genau so, wie wir uns vorher im Büro zusammen gesetzt haben. Ist es vielleicht an der Zeit die Art und Weise wie wir Meetings betreiben weiter zu denken?

Arten von Meetings

Wenn ich über Meetings in meinem Alltag nachdenke, dann kann ich hier ein par Arten von Meetings identifizieren. Zum einen die Massenmeetings, hier wird über die aktuelle Entwicklung des Unternehmens oder von neuen Produkten berichtet. Dann sind da die Team Meetings, hier treffe und spreche ich mit meinen Teammitgliedern, meist über allgemeine oder Teamrelevante Themen und dann sind da die Arbeitsmeetings, hier trifft sich meist ein Projektteam und arbeitet an einem bestimmten Thema.

Ja es gibt auch noch die Workshops und die Marketingtermine — Workshops sind aber meist Arbeitsmeetings und Marketingtermine vielleicht auch ein wenig obsolet in der Zeit des verteilten Arbeitens.

Treffen mit großen Gruppen und wenigen Spechern

Das sind die Meetings bei denen die Geschäfts-, Bereich-, Abteilungsleitung die neusten Entwicklungen aus dem Business berichtet. Gerade in Zeiten in denen der Flurfunk nicht so gut funktioniert sind diese Treffen wichtig.

Würde jeder aktiv etwas beitragen käme man zu keinem Ergebnis

Nur müssen es diese Massenmeetings mit ein, zwei oder drei Sprechern und hundert oder mehr Teilnehmern die nichts sagen sein?

Mit modernen Meetingtools, wie Zoom, Teams und so weiter geht das, klar. Nur warum muss der Sprecher in einem solchen Meeting schlecht zu verstehen sein, weil sein Mikro nicht richtig funktioniert, weil irgendwas auf seiner Internetleitung steht, oder muss es wirklich sein, immer wieder eigenartige Kameraperspektiven zu sehen? Muss immer dieses gebastel mit den mittelmäßig orchestrierten PowerPoint Präsentationen sein? Klar wirkt das authentisch aber ist das Leadership im digitalen Raum?

Die digitalen Kommunikationsplattformen, die wir inzwischen alle in unseren Unternehmen haben ermöglichen es solche Kommunikation asynchron zu führen. Wie wäre es mit gut produzierten Aufnahmen, mit ordentlichem Ton, die halbwegs sauber aneinander geschnitten sind. Es muss ja nicht die hollywoodreife Nachrichtenproduktion aus dem Studio sein. Wenn jeder im Home Office seinen Inhalt aufnimmt und die Videos und Bilder anschließend halbwegs sauber zusammengeschnitten werden, dann ergibt sich vielleicht für den Konsumenten, also den Mitarbeiter, eine bessere Informationserfahrung, in diesen etwas chaotischen Meetings. Für den Redner ergibt sich die Chance auch das zu sagen, was er wirklich sagen will.

Vielleicht benötigt es hierfür einen Digital Media Creator im Unternehmen der bei der Erstellung von Inhalten unterstützt und der sich dann mit dem Schneiden der Inhalte beschäftigt.

Das nimmt doch die Nähe zwischen Redner und Zuhörer! Ganz klar ja und nein. Ja, eine wirkliche Nähe wird nicht erzeugt, diese wird allerdings auch nicht in den Massenmeetings erzeugt, weder physisch noch digital.

Nein das muss nicht weniger Nähe bedeuten, denn zum einen sind wir ja zu Gast im Wohnzimmer des anderen und zum anderen sind wir als Mitarbeiter ja auch dazu aufgefordert die Produktionen in der Plattform zu kommentieren und darüber Fragen und Antworten zu erhalten.

Die persönliche Kommunikation, die zwischen den Teilnehmern von physischen Meetings stattgefunden hat, fand meist abseits des eigentlichen Meetings und meist auch eher zwischen zwei oder drei Personen statt. Hier ist ein verteiltes Team dazu angehalten auch asynchron mit den Kollegen genau diese Kommunikation zu betreiben.

Sammeln des Teams

Ja es gibt sie die Momente in denen sich das gesamte Team trifft, was auch immer das ist. Als Team sollten wir auch darauf achten, uns täglich oder zumindest mehrmals in der Woche eine Zeit zu schaffen in der wir uns treffen, denn wir treffen uns ja nicht mehr im Büro am Schreibtisch.

In diesem Treffen sollte auch die Flexibilität vorhanden sein, einfach mal über Dinge zu sprechen — die Meinung zur neusten Marketingkampange austauschen, die Inhalte der großen Meetings nachbesprechen oder auch einfach mal über persönliche Dinge sprechen, wenn das Team so nah beieinander ist.

Es gibt keinen Schnack an der Kaffeemaschine mehr, auch das Quatschen mit dem Schreibtischnachbar ist weg.

Das Team braucht trotzdem die Möglichkeit miteinander zusprechen. synchron, also im Meeting oder asynchon im Teamchat oder Team Forum.

Im Team sollte es auch normal sein, die eigene Videokamera zu aktiveren, damit man sich gegenseitig sehen kann. Jeder einzelne ist hier aufgefordert über das eigene Setup nachzudenken. Also den Raum hinter sich selbst aufgeräumt und ordentlich zu halten, gute Ausleuchtung zu schaffen und ein Mikrofon verwenden, welches den Titel auch verdient. Der Maßstab sind hier die Tech- und Produktivityyoutuber, es sieht so aus als säße man bei wem auch immer im Wohnzimmer und doch sind es meist Studios.

Wer im eigenen Wohnzimmer arbeitet hat es hier leicht und doch schwer den Hintergrund ordentlich zu gestallten, nur aufräumen und los gehts — würde man ja auch machen, wenn die Kollegen physisch zu Besuch kommen.

Fürs eigene Bild kurz darüber nachdenken ob im Hintergrund ein Fenster ist und dieses evtl. etwas abdunkeln. Eine Schreibtischlampe hinstellen für die Ausleuchtung des eigenen Gesichts und dann ein Headset für den Ton verwenden.

Wer mit einem Laptop mit Kamera arbeitet sollte diesen etwas höher stellen, dann ist auch das eigene Kamerabild in einer Position die für die Zuschauer angenehm ist.

Als remote arbeitender Arbeitnehmer sollte man vielleicht auch über sich selbst als Streamer nachdenken.

Arbeitsmeetings und Workshops

Gemeinsam arbeiten kann in einem Raum einfacher sein als online.

Im Homeoffice arbeiten wir viel allein, was auch bisher immer gut und richtig war, im Homeoffice waren die Ablenkungen geringer und es ist einfacher sich auf ein bestimmtes Thema zu konzentrieren. Nun ist das Teamworking im Homeoffice und das Team nicht mehr da. Klar, gemeinsam an einem Dokument arbeiten geht wunderbar über all die Cloud und Synchronisationsmöglichenkeiten alla Github und co, asynchron.

Nur die Zeiten in denen wir gemeinsam an einer Aufgabe gesessen, diskutiert und gearbeitet haben scheinen manchmal vielleicht etwas in Vergessenheit geraten zu sein. Hierzu drei Gedanken, wie wir die Qualität der Arbeitsmeetings verbessern könnten:

Im Extreme Programming gibt es die Technik des Pair Programmings — was beim Programmieren funktioniert sollte in kleinerem Rahmen auch bei der gemeinsamen Bearbeitung von Aufgaben helfen. Zusammen gleichzeitig an einer Aufgabe hängen, über geteilen Bildschirm, über gemeinsames Arbeiten in Clouddokumenten bis hin zu Live Share des Editors. Das ist zwar auf den ersten Blick nicht so effizient wie das asynchrone Arbeiten, auf lange Sicht führt pair working zu besserer Verteilung des Wissens über die durchgeführten Arbeiten

https://martinfowler.com/articles/on-pair-programming.html#Benefits

Arbeitsmeetings mit zwei oder drei Personen funktionieren so über Video- und Audiocalls gut und bringen Ergebnisse. Was aber wenn viele Personen zusammen kommen, mehr als drei? Hier zeigt es sich, dass es häufig dazu kommt, das ein, zwei oder vielleicht noch drei Personen das Meeting dominieren und andere wenig zu Wort kommen. Gleichzeitig fallen die Teilnehmer sich häufiger ins Wort. Gemeinsame Online Meetings, die zum Ziel haben gemeinsam ein Ergebnis zu erarbeiten benötigen deutlich mehr Moderation. Bei Arbeitsmeetings kann vielleicht am Anfang ein Teilnehmer als Moderator festgelegt werden, vielleicht kann auch ein Themenfremder bei größeren Workshops nur mit der Aufgabe der Moderation und des Einhaltens der Agenda beauftragt werden — quasi als Workshop Coach.

An der einen oder anderen Stelle sollten wir vielleicht auch darüber nachdenken, ob wir wirklich etwas zusammen in einem Meeting diskutieren müssen, oder ob nicht mehr dabei heraus kommt, wenn wir das Thema in einem passenden Forum bearbeiten. Ganz klassisch als E-Mail Thread oder modern in Slack oder Teamsthread. Kann schriftliche Kommunikation, die zu dem Zeitpunkt passiert an dem die Teilnehmer sich auf das was sie schreiben konzentrieren schneller zu einem guten Ergebnis führen?

Zu guter Letzt, die Kollegen sind wieder virtuell zu gast im eigenen Wohnzimmer oder Home Office, so sollten wir sie auch behandeln. Also Videokamera an, Hintergrund ordentlich aufgeräumt und man selbst ordentlich ausgeleuchtet. Achtet auch darauf was ihr vor der Kamera tut und seit euch bewusst über eurer aktuelles Bild.

Wie ist das bei euch aus? Habt ihr schon die Meetings digitalisiert? Wie läuft bei euch das verteilte Arbeiten, synchron oder asynchron? Lasst ein Kommentar oder ein Clap da, wenn es euch gefällt.

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Otrek Wilke

Data Engineering made easy. Writing about things learned in data engineering, data analytics, and agile product development.